Eindrucksvolle Uraufführung des Oratoriums "Pax"

Von einem Frieden für die ganze Welt, in der jeder Mensch in Würde leben kann, sind wir noch meilenweit entfernt. Eher überwiegt der Eindruck, die Aussicht auf Frieden schwinde von Tag zu Tag mehr. Umso wichtiger bleibt die reale Utopie einer gerechten Gesellschaft, in der Achtsamkeit und Liebe keine hohlen Phrasen sind. Vor allem die Kunst hat das Potenzial, dies mit ihren Ausdrucksmitteln wach zu halten. Davon war in der Musik, wie sie an Christi Himmelfahrt in Münsters Paulusdom erklang, eine Menge zu spüren. Von Freude und Fröhlichkeit, von Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht.

Dies alles steckt in dem rund zweistündigen Oratorium "Pax", das der Saarbrücker Komponist Roland Kunz als Auftragswerk der Dommusik Münster für den 101. Deutschen Katholikentag geschrieben hat. Eine Musik, die nicht in erster Linie den analysierenden Intellekt der Hörer fordert, sondern ihn unmittelbar "packen" will, ihn auf einer emotionalen Ebene zu erreichen versucht. Dies ist Roland Kunz auf eindrucksvolle Weise gelungen! Tausende Zuhörer jedenfalls zeigten sich berührt, begeistert, ja auch betroffen.

Es ist kein Zufall, dass Kunz sein Oratorium auf Botschaften des heiligen Franz von Assisi gründet. Er, der "Poverello", der Arme, steht bis heute für einen bewahrenden Umgang mit der Schöpfung ebenso wie für einen grenzenlosen Humanismus, der auch die biblische Feindesliebe mit einbezieht: "Diligite inimicos vestros" intoniert Bariton Daniel Ochoa an einer Stelle – und darüber entfalten die Streicher des Sinfonieorchesters Münster einen Himmel aus Klängen, wie ihn Samuel Barber nicht schöner hätte erfinden können. Ganz generell macht Kunz gern mal Anleihen bei seinen Kollegen aus der Musikgeschichte. Da gibt es Stellen à la Giacomo Puccini ("Tu es pulchritudo" mit der Mezzosopranistin Rebecca Martin), Carl Orff kommt in Erinnerung, auch musicalhafte Abschnitte finden Eingang in die Partitur, die Frank Zabel ganz fantastisch in eine orchestrale Form gegossen hat. Eine schier überbordende Palette aus Klangfarben entwickelt er, vom Leuchten des Mondes und der Sterne in Franziskus‘ "Sonnengesang" bis zur nachgerade mystischen Nachricht von den "Geheimnissen des Herrn", die Knabensopran Kilian Göbel zusammen mit der Oboe vom Engelsgang im Dom aus verströmt. Kunz nutzt den ganzen Raum, auch die Orgel. Nur selten gleitet er dabei leicht ins Klischeehafte ab, etwa wenn die vereinten Männerstimmen zusammen mit dem Orchester-Blech das Gottesattribut "Du bist Stärke" formulieren. Dann wieder fließen imaginär Milch und Honig, wenn der Chor das "Benedictus" singt.

Überhaupt der Gesang! Was da bei dieser Uraufführung von den vereinten Domchören vollbracht wurde, war schon eine Sensation. Selten ist ein solches Herkules-Projekt, bei dem alles, was am Dom singt, "gemeinsame Sache" macht. Genau dies war "Pax"! Das Team rund um Domkapellmeister Alexander Lauer hat hier sein Meisterstück präsentiert. Bis hin zum großen "Amen". Dieses Erlebnis wird lange nachwirken, beim Publikum ebenso wie bei allen Aktiven.

Text: Christoph Schulte im Walde
Foto: Bistum Münster